Stefan Kempf (Rap)
Erstmals Gläubige meines Alters entdeckt, die ihre Religion ernst nehmen
Erstmals Gläubige meines Alters entdeckt, die ihre Religion ernst nehmen
Ich habe mich schon immer ohne zu zögern als religiös bezeichnet. Während ich von anderen hörte, dass sie eine rebellische atheistische Phase o.a. hatten, kann ich guten Gewissensbehaupten, nie an der Menschwerdung Gottes in Christo ernsthaft gezweifelt zu haben. Dennoch kann ich nicht von mir sagen, dass ich stets ein praktizierender Katholik gewesen wäre. Nach der Erstkommunion ging ich bestenfalls zu Hochzeiten und Beerdigungen und vielleicht auch zu Weihnachten zum Gottesdienst.
Darin sah ich, auch als ich in dem Alter war, meinen Glauben intellektuell zu durchdringen, kein Problem. Nach keiner einzigen Begegnung mit der Kirche hatte ich das Gefühl, dass sich hier irgendetwas Heiliges verborgen hielte. Ich hätte anders als manch Konservativer wohl kaum gesagt, dass der Gottesdienst in meiner Pfarrei viel eher ein SPD-Parteitag als eine sakrale Opferhandlung war. Aber ich merkte stets, ohne es groß zu verbalisieren, dass niemand, weder ein Mitschüler noch irgendeiner der Erwachsenen geschweige denn Religionslehrer, die Amtskirche und ihr öffentliches Auftreten ernst nimmt; also nahm ich es auch nicht ernst. Schon damals habe ich mich zwar sehr für den Glauben, seine Geschichte und die Bibel interessiert, nicht aber für die Verwirklichung desselben im Kirchenleben. Wenn etwa irgendein Pastoralbeauftragter (der Pastor selbst war es selten) zu irgendeinem schulischen oder familiären Anlass uns die Existenz der Kirche mit den immer gleichen Phrasen von Toleranz, Respekt und Vertrauen ins Gedächtnis rief, fand ich es wohl meist peinlich und nichtssagend, aber ich erkannte darin keinen größeren Mangel. Das ist wohl die Realität der meisten jungen Katholiken.
Mit zunehmender Reife erkannte ich dann zumindest logisch die Verpflichtung eines jeden Katholiken, sonntags in die Kirche zu gehen. Bloß sah ich keine Übereinstimmung zwischen einem solchen Anspruch und einem Pfarrer der behauptet, dass die Kirche sowieso viel zu streng mit dem Begriff Sünde umgehe und man vermuten dürfe, dass alle braven Leute in den Himmel kommen. Mit größter Stringenz und schärfster Urteilskraft folgerte ich, dass ich so einen Gottesdienst gar nicht besuchen muss, und mit mir folgerte dies die Mehrzahl der deutschen Katholiken.
Das schlechte religiöse Gewissen erreichte mich irgendwann doch. Wenn unter Freunden oder Kommilitonen das Thema Religion aufkam, erschien es mir immer öfter als Faulheit und Inkonsequenz, eine so wichtige Kirchenregel nicht zu befolgen und mich trotzdem Katholik zu nennen. Also betrat ich zum ersten Mal seit zwei Jahren wieder eine Kirche, und lernte dort die Rappoltsteiner kennen. Vorher war es für mich beinahe unvorstellbar, dass mehr als ein vereinzelter junger Erwachsener sich mal in eine Sonntagsmesse verlauft. Mit der Rappoltstein entdeckte ich nun eine ganze Gruppe Studenten und junger Berufstätiger, sowohl Manner als auch Frauen, die ganz freiwillig einer gefüllten Messe beiwohnen, noch dazu im scheinbar unverständlichen Latein. Das beeindruckt jemanden, der vorher kaum mit Kirche zu tun hatte. Welch ein Kontrast besteht zwischen der stillen Werktagsmesse im alten Ritus, mit ihren zahl-reichen Schuldbekentnissen, die der Priester flüsternd und gesenkten Hauptes verrichtet einerseits, und der Sonntagsmesse in meiner Pfarrkirche anderseits, in dem, anstelle einer Predigt, die wenigen Messdiener „mal als etwas Experimentelles” erzählten, wie schon es doch sei, gemeinsam nach der Messe Eis essen zu gehen, und in dem nach dem „Gehet hin in Frieden” an die Gemeinde der Aufruf erging, der Ministrantengruppe bitte auf Instagram zu folgen (Anlass: Sechswochenamt einiger verstorbener Gemeindemitglieder, darunter mein Vater). Wie atemberaubend wiederum ist das erste Mal in einem gesungenen Hochamt, in dem die Kirche vor Licht und echter Ruhrung erstrahlt.
Zum ersten Mal traf ich bei der Rappoltstein Glaubige meines Alters, die ihre Religion ernst nehmen, ohne damit zu prahlen oder pharisaisch zu werden, die eben als ganz normale und bescheidene Menschen glaubig sind. Ich kam alsbald öfter adH, wurde zur großen Fronleichnamsprozession im Kölner Dom eingeladen und ging jeden Sonntag zur Messe, und nahm schließlich das Band auf. Gewiss prägt sich die Freundschaft auch in zahlreichen nicht-kirchlichen Veranstaltungen, Fahrten und langen Nachten im Keller oder Altherrenzimmer, wobei der Glaube trotzdem das allumfassende (oder Griechisch gesprochen: katholische) und damit verbindende wird. Deshalb bin ich Rappoltsteiner, deshalb will ich’s sein!
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